Interview zum 30-jährigem Jubiläum

Ana-Maria Stuth & Ulrike Gringmuth-Dallmer

Im Rahmen der Fachveranstaltung zum 30-jährigen Jubiläum der Akademie für Ehrenamtlichkeit „30 Jahre Engagementförderung made in Berlin – Ein Blick in die Zukunft des ehrenamtlichen Engagements“.

Das Gespräch führten Lisa Dürer (Geschäftsführerin) und Frederike Schmitz (Referentin für Öffentlichkeitsarbeit). 

Ana-Maria Stuth
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Organisationsentwicklerin, hat seit 2008 Quifd – Qualität in Freiwilligendienste und das Freiwilligenkolleg geleitet und war 2011-2018 Geschäftsführerin der Akademie für Ehrenamtlichkeit, seit 2022 Geschäftsführerin Lebenshilfe BAB gGmbH.

Ulrike Gringmuth-Dallmer
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Diplom-Psychologin und systemische Beraterin, 10 Jahre lang in der Akademie angestellt, die letzten Jahre davon als Geschäftsführerin im Tandem. In diesen 10 Jahren hat sie verschiedenste Projekte in der Akademie geleitet, unzählige Fortbildungen und Beratungen durchgeführt, Kommunen beraten und Workshop moderiert. Heute arbeitet Ulrike Gringmuth-Dallmer für eine Stiftung und ist der Akademie für Ehrenamtlichkeit aber weiterhin sehr verbunden.

  1. Wie seid ihr zur Akademie gekommen? Was waren eure Rollen?


Ana-Maria Stuth:
Ich habe im März 2008 beim Freiwilligenkolleg und bei Quifd angefangen. Damals waren Freiwilligenkolleg und Quifd zwei Projekte, die neben der Akademie, also quasi in der gleichen Abteilung liefen. Für diesen Bereich war Herr Dr. Klaus Spieler zuständig, der damals Geschäftsführer vom gesamten Verein war. Das habe ich drei Jahre lang gemacht. Und als Herr Dr. Spieler in Rente ging, hat er gefragt: Wollen Sie nicht die Geschäftsführung? Und so wie ich bin, habe ich gesagt: Ja, klar mache ich das. Und daraufhin habe ich Ulrike eingestellt.

Ulrike Gringmuth-Dallmer:
Ich bin mit 20 Stunden fürs Freiwilligenkolleg eingestiegen. Und es war aber klar - perspektivisch soll ich aufstocken und dann bei Quifd ein Projekt von Engagement global übernehmen.

Lisa Dürer:
Das heißt, ab 2011 gab es dann die Akademie als...

Ana-Maria Stuth:
Als Gesamtgebilde. Also davor gab es die Akademie für Ehrenamtlichkeit auch, aber in der ersten Generation als Bildungseinrichtung, gegründet von Dr. Klaus Spieler und geleitet von Thomas Kegel. Da gehörte dann die Akademie für Ehrenamtlichkeit mit ihrem klassischen Seminarprogramm dazu.
Und dann erfuhren wir im Jahr direkt nach meiner Übernahme, dass unsere Förderung für die Akademie gestrichen wird. Wir hatten eine BMFSFJ-Förderung, im Kinder- und Jugendplan. Und dann saßen wir da mit einer Akademie ohne Finanzierung. Ich habe gedacht, entweder wir schaffen es oder wir schaffen es nicht. Und dann? Was haben wir dann gemacht?

Ulrike Gringmuth-Dallmer:
Dann hat in meiner Erinnerung das Ministerium den Kontakt zum DBB hergestellt. Und damit ist das erste Projekt entstanden, das wir im Engagementförderungsbereich als Dienstleistung durchgeführt haben.

Ana-Maria Stuth:
Das war die Grundlage für alle Sportprojekte. Wir haben dadurch auch unsere freien Aufträge weiter ausgebaut. Darüber hinaus hatte Quifd immer 1-2 Zusatzprojekte, dann haben wir uns für das House of Resources beworben und wir haben außerdem noch Comeback und Zwischen- und Begleitseminare für Jugend für Europa gemacht.

Ulrike Gringmuth-Dallmer:
Aber das ging erst 2015 los. Und dann kam Aufwind... In meiner Erinnerung waren „Die Verantwortlichen“ schon so ein Meilenstein, weil es uns von der reinen Engagementförderungs- und Freiwilligendienstthematik in die Welt der Organisationsentwicklung katapultiert hat.

  1. Und das war im NPO-Bereich damals auch noch nicht so vertreten, oder? Also es war noch recht neu, Organisationsberatung in dem Bereich, dass es professionalisiert wird.

Ana-Maria Stuth:
Es ist immer noch neu. Das NPO-Management ist nur entstanden, weil da eine Lücke war. Wir waren DAS Fortbildungsinstitut für das Engagement. Aber das Feld hat sich mittlerweile massiv verändert, spätestens mit der DSEE. Wir waren vielleicht der einzige Player, der so ein Fortbildungsprogramm hatte, hier vor Ort, vielleicht bis heute nicht ganz vergleichbar mit anderen. Und das Ziel war vor allem, den Beratungsbereich neben dem Seminarprogramm auszubauen. Dies waren die zwei Säulen neben den Projekten. Ein weiteres Ziel war es, uns als Engagementinstitution zu positionieren. Mit Projekten, mit Beratungsleistung und mit Fortbildungsleistung. In den Projekten konnten wir die Organisationen unterstützen, die sich das sonst nicht leisten könnten, wie bei House of Resources.
Und wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir uns in den NPO-Bereich und Organisationsentwicklungsbereich viel stärker weiterentwickelt. Haben wir auch punktuell, mit dem NPO-Management-Angebot, mit der Beratung Engagierte Stadt. Das war ja noch ein großes Programm.

  1. Die Welt von Ehrenamt und Engagement verändert sich ja stetig. Was sind denn für euch so Meilensteine gewesen, die ihr miterlebt hat?

Ana-Maria Stuth:
Es gab die Zeit, wo die Robert Bosch Stiftung das Engagement entdeckt hat, als Thema.

Ulrike Gringmuth-Dallmer:
Und ich hätte jetzt das Gegenstück gesagt: als die Bosch Stiftung das Thema wieder losgelassen hat.

Ana-Maria Stuth:
Eigentlich die ganze Stiftungswelt hat das Engagement-Thema entdeckt und für ein paar Jahre gefördert. Und das mündete in die Gründung der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt.

Ulrike Gringmuth-Dallmer:
Das kann ich jetzt nicht datenbasiert machen, aber an irgendeiner Stelle muss es aber trotzdem in der Engagement Welt einen Punkt gegeben haben, zu dem Freiwilligenkoordination wirklich zu einem Berufsbild wurde. Und das ist meines Erachtens eigentlich erst so in den letzten Jahren geschehen. Vielleicht habe ich es vorher nicht beobachtet, aber ich hatte so das Gefühl, dass es diese Ausschreibung gibt, in den Freiwilligenkoordinator*innen als Stelle geschaffen wurde und nicht nur unter „ferner liefen“ bei den Aufgaben...

Ana-Maria Stuth:
Aber es fing schon vor mir und vor dir an und ich glaube, es hat sich dann verstetigt und ist jetzt eine Normalität geworden. In den letzten zehn Jahren ist es ein „normaler Beruf“ geworden.

Lisa Dürer:
Ich habe 2014 die erste Stelle gesehen. Ich, als Suchende.

Ana-Maria Stuth:
Aber es gab sie bestimmt vorher schon. Und ja, ich glaube die Akademie hat dazu beigetragen, dass die Freiwilligenkoordination zu einem Beruf wurde.

Ulrike Gringmuth-Dallmer:
Aber wir waren ja bei dem Thema Meilenstein. Du hast es ja gesagt, die Gründung der DSEE, das war schon ein größerer Einschnitt.
Und für uns intern war z.B. die Engagierte Stadt schon eine coole Nummer. Eine coole und auch große Nummer.

  1. Was können wir denn gut, was haben wir schon immer gut gemacht? Was ist der Kern der Akademie?

Ana-Maria Stuth:
Wir waren immer gut im Thema Fortbildung. Und neue Trends – ich meine, Engagementberatung war auch ein neuer Trend. Kommt übrigens von Henriette von Wulffen. Auch Engagierte Stadt, also Moderation und Beratung bei Engagementstrategien. Das haben wir neu gemacht.
Das Ziel hier war Private Public Partnership im Sinne von – die kommunalen Akteure, die Zivilgesellschaft und im besten Fall auch die Wirtschaft sollen kooperieren und Engagementförderung betreiben und sich dafür Ziele setzen. Es ging darum, sinnvolle, smarte Engagement-Ziele zu formulieren für eine Engagementstrategie. Aber wir haben auch mit den Akteuren an sehr konkreten Zielen gearbeitet wie – Wie können wir Unternehmen gewinnen? Oder wie können wir den oder jenen aktivieren? Wie kann man die Kommune noch mal aktivieren?

  1. Welchen Nutzen würdet ihr sagen, haben Leute, wenn sie zur Akademie kommen, um unsere Kurse zu belegen

Ulrike Gringmuth-Dallmer:
Ich verbinde unsere Kurse mit einer sehr hohen Praxisorientierung. Das war auch immer die Rückmeldung, dass Leute, wenn sie an einem Kurs bei uns teilnehmen, in kurzer Zeit in hoher Dichte praxisrelevantes Wissen erlangt haben und dass wir auch immer eine sehr angenehme Arbeitsatmosphäre ermöglichen, wo die Menschen viel Austausch erleben.

Ana-Maria Stuth:
Ich würde noch ergänzen: Haltung. Ich glaube, in der Akademie war es immer so wichtig, mit welcher Haltung man Freiwilligen begegnet. Das zweite ist ganz praktisches Wissen für den eigenen Beruf. Die meisten, die in die Freiwilligenkoordination einsteigen, steigen nicht mit Fachwissen ein. Wir stärken die Menschen in ihrem Berufsfeld, für das es immer noch keinen Studiengang gibt.

Ulrike Gringmuth-Dallmer:
Und vielleicht genau dieser Blick. Dass in unseren Trainings oder in unseren Weiterbildungen auch immer ein Stück Beratungsaspekte drinstecken. Also zumindest wer sich öffnet und seine Beispiele reinbringt. Die Leute sind ja oft sehr alleine in der Freiwilligenkoordination in ihren Organisationen. Deshalb ist dieser Austausch auch so wichtig und hier auf Menschen zu stoßen, die einen Blick für organisationale Phänomene haben und damit auch das Einordnen von „Was kannst du individuell tun?“ und „Wenn du eine Veränderung anstoßen möchtest, wie?“. Ich denke, dass die Leute, die hier rausgehen, eigentlich eine Idee haben, wie es laufen müsste, damit eine Veränderung wirklich in Gang kommt. Aber das können sie nicht allein. Und mit diesem Verständnis dafür sind sie noch mal anders rausgegangen und haben dieses Thema in ihre Organisation zurückgebracht. Und das finde ich schon einen Mehrwert.

Lisa Dürer:
Ich konnte das danach, ja. Ich wusste dann „Okay, krass, das schaffe ich nicht alleine, aber das und das kann ich mir rausziehen und umsetzen“ und war danach total happy und aufgeräumt und planvoll.

Ulrike Gringmuth-Dallmer:
Und dann weiß man ja auch, wo man sich dran abreiben muss, wenn es gar nicht in deinem Tanzbereich ist. Also ich glaube, da haben wir schon so einen Blick für gehabt. Und haben den weiterhin.


  1. Wofür seid ihr der Akademie dankbar? Was habt ihr mitgenommen aus eurer Zeit oder was habt ihr hier gelernt?

Ana-Maria Stuth:
Ich habe gelernt, wie Management funktioniert. Wofür bin ich dankbar? Ich bin dankbar für das Team, das ich in der Akademie aufbauen durfte, die finde ich alle nach wie vor toll. Für zehn Jahre Erfahrung mit vielen Höhen, mit vielen Tiefen. Und ich glaube, ich habe einen hohen Grad an beruflicher Resilienz gelernt. Es ist einfach schwierig, in einem Feld, das eigentlich von Ehrenamt lebt, wirtschaftlich zu arbeiten. Das war eine Herausforderung. Und dann zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Projekte zu entwickeln, die irgendjemand finanzieren will. Da muss man auch noch Glück haben.

Ulrike Gringmuth-Dallmer:
Ich würde sagen, ich habe hier berufliche Verantwortung gelernt. Ich hatte hier große Gestaltungsspielräume. Ich habe den Sprung von der Jugendbildung in die Erwachsenenbildung gemacht. Ich durfte hier sehr viel Verantwortung übernehmen, ausprobieren und mich da reinfuchsen.

Ana-Maria Stuth:
Was die Akademie mir gegeben hat, ist der Einblick in viele Organisationen. Diesen Einblick kann man sich nicht in einem anderen Setting verschaffen. Und das hilft mir heute, mit Leichtigkeit jegliche Missstände, egal ob in meinen oder anderen Organisationen, in Perspektive zu setzen.

Ulrike Gringmuth-Dallmer:
Du hast vorhin auch das Team angesprochen. Ich finde schon, dass wir hier eine besondere Arbeitskultur hatten und dass die schon sehr wertvoll ist und nicht selbstverständlich.

  1. Was wünscht ihr der Akademie für die nächsten Jahre und dem Team?

Ana-Maria Stuth:
Dass die Teamkultur bleibt, mindestens auf dem Level oder sich noch weiterentwickelt und noch cooler wird. Dass ihr die neuen Trends für euch entdeckt, mit denen ihr euch gut in die Zukunft begebt, wo die Akademie noch mal 30 Jahre gestaltet. Ich glaube, die Akademie in den letzten 30 Jahren war mindestens drei Organisationen, also dass sie noch mal so drei nächste Phasen für die nächsten 30 hat.

Ulrike Gringmuth-Dallmer:
Ich wünsche der Akademie und den Mitarbeiter*innen der Akademie Begeisterung für das Arbeitsfeld. Also die Liebe und das Sehen, dass das eine ganz besondere Rolle ist, da als Trainerin, Beraterin, Begleitung von außen in Organisationen hereingelassen zu werden und diese Einblicke, von denen du gerade gesprochen hast und daran Freude zu haben. Ich wünsche der Akademie, dass alle Mitarbeiter*innen endlich so bezahlt werden, wie sie es verdient haben.

Ana-Maria Stuth:
Ich habe einen Vorschlag: eine Erbspende. Ich wünsche der Akademie die Erbspende eines Menschen ohne eigene Erben. Das hat sie verdient.

Ulrike Gringmuth-Dallmer:
Darauf wollte ich hinaus, dass da einfach jemand kommt, der versteht, das ist ein beständiger Akteur, der aber immer mitgewachsen ist mit der Zeit. Ja, Geld, Liebe. Gesundheit.


Herzlichen Dank, dass ihr euch die Zeit für dieses Interview genommen habt!

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